Erfolgreiche neue Organisationsformen haben einen speziellen Kontext
Dieser Kontext lässt sich leider nicht so einfach kopieren. Jede Organisation tickt anders und hat andere Faktoren ihres bisherigen Erfolgs.
Leider. Denn es wäre sicher prima, wenn das mit dem Kopieren von Unternehmenserfolgen und deren Erfolgsmodellen so einfach klappen würde wie auf dem Computer mit „copy“ und „paste“.
Aktuell läuft in Nürnberg der Film zum „Der Upstalsboom Weg“. Gratulation zu der Organisationsentwicklung und den Mut zum Wandel an alle Beteiligten.
Ähnliche Erfolgsgeschichten bieten Organisationen wie Patagonia, dm-drogerie markt und einige mehr.
Viele Bücher, viele Key Note Speaker, präsentieren im Zusammenhang mit Erfolgsgeschichten von Organisationen „neue“ Formen der Führung und Zusammenarbeit wie z. B. agile Organisationen, Unternehmensdemokratie, Soziokratie, Holokratie, NewWork, etc. als notwendige und einfach zu kopierende Überlebenskonzepte in der heutigen VUKA Welt (Flüchtigkeit. Ungewissheit. Komplexität. Mehrdeutigkeit.).
Nicht jede Organisation oder Branche wird das zwingend wollen und brauchen.
Sicher denken einige Mitarbeiter in Organisationen, warum das bei ihnen nicht so ist. Auch Geschäftsführer werden sich denken, dass es prima wäre, so eine Organisation zu haben. Alle zufrieden und das Geschäft läuft.
Wichtige Kontextfaktoren für einen gewünschten Wandel in Richtung der Vorzeigeunternehmen werden aus meiner Sicht übersehen (Ausnahmen davon sind sicher Organisationen, die schon immer so agierten und nur entsprechende Mitarbeiter einstellen, die die Ideen der Ausrichtung (Mission, Vision) und der Art der Zusammenarbeit auch mit gestalten, wie z. B. Gore):
- Der Auslöser zum Wandel ist aus meiner Sicht meist eine große Krise, die die Geschäftsführer zum Umdenken eingeladen hat. So eine Krise kann auch herbeigeführt (z. B. Mitarbeiter-, Kundenumfrage) werden, um allen klar zu machen, dass etwas anders laufen muss.
- Eine Geschäftsführung, die das so nicht weiterführen will und einen anderen Weg sucht. Im Sinne des Zitats von Georg Christoph Lichtenberg: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“
In den Beispielen ist immer auch der Punkt enthalten: Weg von der ausschließlichen Maxime – immer höher, schneller, weiter und dies mit immer weniger – oder in anderen Worten nur den Profit im Fokus zu haben. - Raum um mit Mitarbeitern darüber nachzudenken, was sein kann, darf, sollte und könnte, damit es anders wird. Leistungsträger und Meinungsführer gewinnen, die das auch so sehen und können wollen. Neuentwurf zu den Fragen: Warum und wofür gibt es uns? Wie wollen wir arbeiten? Wer ist unser Kunde? Was wollen wir bieten? Wie wollen wir das machen? Danach wurden und werden Menschen eingestellt, die diese Ideen auch gut finden und in dem Sinne mit gestalten wollen. Das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt.
- Raum und Zeit zum Verlernen und Neulernen von Denk- und Handlungsmuster für alle Beteiligte. Entsprechende Veränderungen an Strukturen, Prozessen und Spielregeln idealerweise über Experimente einführen und immer wieder anpassen.
- Dabei auch im operativen Alltag Diskurs Fähigkeiten weiter entwickeln, um den immer wieder auftretenden Zielkonflikten sowie operativen Alltagsherausforderungen gerecht zu werden. Raum und Zeit zur Reflexion. Ein für mich sehr wichtiger Punkt.
Mit meinem Freund Stephan Lobodda war ich vor einigen Jahren auf einer Lernreise zu der Zentrale der dm-drogerie markt. Diese Erfahrung hat mich beeindruckt. Herr Harms, Personalvorstand, antwortete auf die Frage, wie lange es gedauert hat, die dialogische Art der Zusammenarbeit (neue gewünschte Führungskultur) zu etablieren: „Wir arbeiten jeden Tag daran.“
Ich habe leider Zweifel, dass sich diese „Vorzeigeunternehmen“ weiter ausbreiten und sich grundlegend bei unserem aktuellen Wirtschaftsverständnis etablieren werden. Die meisten AGs und die Finanzindustrie ticken in einer anderen Richtung. Da zählt nur der Profit.
Doch gerade der Mittelstand kann das Thema anders angehen. Sicher muss eine Unternehmung Profit machen. Doch nicht als Hauptzweck. Sondern als Folge.
Ich glaube auch nicht, dass es dabei grundlegend um ein spezielles Konzept geht, was eine Organisation erfolgreicher und/oder besser macht. Es geht eher um die Haltung zu den Kontextfaktoren.
Es muss aus meiner Erfahrung heraus auch nicht das ganze Unternehmen sein. Zusammen mit Stephan Lobodda und Martin Walgenbach haben wir bei ähnlichen Kontextfaktoren in einer Abteilung einen Wandel initiiert und begleitet. Die Krise bestand seit vielen Jahren aus Management Vorwürfen über eine schlechte Performance einer Abteilung. Die Mitarbeiter waren unzufrieden und beklagten sich über viele Themen beim Betriebsrat und der Personalabteilung. Dann haben wir Angebote gemacht, wie die Situation neu gestaltet werden kann. Erst mal als Experiment. U.a. aus der Soziokratie (Konsent Verfahren). Hier können Sie diese Erfahrungen inklusive Messungen über die Abteilungssituation gerne nachlesen.
Zugleich habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass das nicht immer einfach ist, neue Konzepte in Organisationen einzuführen. Die lassen sich nicht einfach kopieren. Jede Organisation ist individuell, hat einen anderen Kontext und Interessen. Vielleicht braucht es gar keinen Wandel.
Ich freue mich über Kommentare und gerne auch andere Erfahrungen.