Geschäftsführer werden geführt
Geschäftsführer aber auch Führungskräfte und Leistungsträger werden auch oft von ihren Mitarbeitern in „normalen“ Organisationen geführt. Ohne es bewusst mitzubekommen. Meine weitere Hypothese ist: Je mehr Zeit- und Leistungsdruck in der Organisation und im Markt wahrgenommen werden, desto mehr wird das passieren.
Es sei denn, es gibt eine gesunde und vitale Dialogkultur.
Wie geschieht das? Indem dem jeweiligen Chef das erzählt oder so gehandelt wird, wie der Mitarbeiter denkt, dass der Chef es erwartet. Das kann schmeicheln. Das kostet weniger Zeit, als neue Gedanken einzubringen.
Es kann aber auch so sein, dass der Mitarbeiter seine Sache durchbekommen will und bei seiner Darstellung einfügt, dass der Chef den Vorschlag auch schon so mal erwähnt hat. Das erhöht die Chance, dass der Chef dazu nickt. Es war ja dann sein Vorschlag.
„Oft wird in Organisationen auf allen Ebenen nur gehört, was gehört werden will. Das veröffentlichte Edgar Schein in dem Sinne.“ Sicher keine böse Absicht.
Kürzlich habe ich wieder die persönliche Erfahrung gemacht, dass GF einer Holding wirklich glauben, dass ihnen von ihren GF alle wichtigen Themen offen präsentiert und diskutiert werden. Das ist allerdings nicht der Fall, wie mir bestätigt wurde. Kein leichtes Thema für alle.
Das alles wollen jedoch meistens weder die Chefs noch die Mitarbeiter. Sie wollen ja von den jeweiligen Kompetenzen profitieren und sich persönlich und als Organisation weiter entwickeln. Besser werden, auch um im Markt weiter Erfolg zu haben.
Mitarbeiter wollen ihren Chefs meist bewusst/unbewusst mit ihren Beiträgen gefallen. Deswegen kann es passieren, dass sie ihre Potenziale zurück halten und mehr taktisch überlegen, was wahrscheinlich gefallen wird. Damit wird der Chef nur eingeschränkt mit Informationen versorgt und bekommt unter Umständen gar nicht mit, um was es genau geht (Situationsbeschreibung, Ursachen, Annahmen, Schlussfolgerungen, alternative Perspektiven, Denk- und Handlungsoptionen, geschätzte Aus- und Nebenwirkungen, …) und gehen könnte.
Dann stellt sich die Frage: „Über was werden Chefs informiert?“ Sind es die einfachen alltäglichen Probleme, die die erste Führungsebene oder Sachbearbeiter selbst erledigen sollten oder komplexe und schwierige Herausforderungen oder strategische Fragestellungen? Gibt es kulturell die Erwartungen, dass Chefs über jeden Vorgang informiert sein wollen; dass auch operative und alltägliche Entscheidungen immer von ihnen persönlich getroffen werden, dass es keine Fehler und Widerspruch geben darf, oder wird dem Chef taktisch eine Idee eingepflanzt, die er dann als eigene Idee wahrnimmt, oder sind es ganz andere Erwartungen an Kommunikationsstrukturen, -Prozesse und Spielregeln innerhalb der Organisation?
Chefs und Leistungsträger können sich selbst anhand des kurzen Beitrags reflektieren. Bekomme ich zu meinen Ideen alternative Geschichten zu hören? Gibt es echte Diskurse – auch im Team? Wird Widerspruch geschätzt? Werden andere Meinungen und Ideen erwünscht und verfolgt? Gibt es Raum für Diskurse? Wollen, können und dürfen da alle Beteiligte mitmachen?
Über veränderte Strukturen und Spielregeln kann das zu einer neuen Gewohnheit werden.
Geschäftsführer und Leistungsträger können das verändern, indem sie die Mitarbeiter mehr befragen und vorab verkünden, dass sie in Zukunft mehr Diskurs und Zeit zu wichtigen Fragen wünschen. Das bedeutet, dass „andere“ Meinungen geschätzt werden und Potenziale im Team mehr genutzt werden. Das ist sicher eine Investition.
- Wie gut haben wir das „Problem“ erfasst und ergründet?
- Inwieweit steht uns unsere bisherige Erfolgsgeschichte bei der Einschätzung der Situation im Weg? (*)
- Welche Annahmen stecken in der „Geschichte“? Welche sind auch möglich?
- Welche weiteren alternativen Denk- und Handlungsoptionen sind denkbar?
- Welche Aus- und Nebenwirkungen hat der Lösungsvorschlag?
- Welche Sichtweisen hat ein „Querdenker“ dazu?
- Wie würde unser „stärkster“ Mitbewerber darüber denken?
- Wie würden wir als „Startup“ mit der Situation umgehen?
- …
(*) Ergänzender Hinweis: Geschäftsführer werden auch vom bisherigen Erfolg und Vorgehen geführt. Es wird meist so gedacht und gehandelt, wie die Organisation bisher gedacht und gehandelt hat. Das hat sich bewährt und wurde so zu einer Gewohnheit. Die Erfolgsgeschichte einer Organisation prägt so die Gegenwart und schränkt die Sicht auf andere Perspektiven und Möglichkeiten ein. „Das haben wir schon immer so gemacht. Das funktioniert.“ Das spart Zeit. Das kann aber auch eine große Schwierigkeit werden. Daher brauchen Organisationen ein „feines“ Gefühl und Balance für das, was sich bewährt hat und neue Möglichkeiten zu verfolgen (im Sinne von Exploitation versus Exploration – von James G. March).