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Wie ticken erfolgreiche Vertriebler & Vertriebsleiter wirklich?

Juli 31, 2015

Die wissenschaftliche Forschung belegt: Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale von Vertriebsmitarbeitern & Vertriebsleitung bringen eindeutig mehr Erfolg.

Mitnehmen: Organisationen sollten mehr verstehen, was ihren Vertriebserfolg beeinflusst und Rahmenbedingungen schaffen, die diese Fakten passend berücksichtigen. Mehr Erfolg und mehr Leichtigkeit wären Folgen davon. Das gilt für heute.

Doch der Vertrieb wird sich massiv verändern.  Der Artikel aus Brandeins zeigt die bevorstehende Veränderung aus meiner Sicht sehr gut auf: https://www.brandeins.de/archiv/2016/das-neue-verkaufen/gekauft/

„Was wird nun aus dem Verkäufer?
Seine Zukunft liegt ganz sicher nicht in der lauten, schnellen Konsumgesellschaft, sondern in der Wissensgesellschaft. Seine Rolle ändert sich grundlegend. Er ist nicht mehr der Agent des Händlers, dem es um den schnellstmöglichen Warenumschlag geht, sondern ein Makler, der überall dort, wo wirklich hohe Komplexität und ein hohes Bedürfnis nach personalisierten Lösungen vorherrschen, dem Kunden Orientierung geben soll – in dessen Namen und Auftrag.“

Weiter unten finden Sie meine Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung des Vertriebs im B2B Bereich. 

Die wissenschaftliche Forschung zeigt für heute klar auf:

  1. Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter ticken anders &
  2. es lässt sich klar sagen, was einen erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter ausmacht, d.h., welche Persönlichkeitsmerkmale mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Erfolg im Vertrieb führen &
  3. es ist klar, welche Rahmenbedingungen (Führung & Organisation) es braucht, damit das Potenzial zu wirtschaftlichen Erfolg führt.
  4. Es gibt Testverfahren, die für eine gezielte Personalauswahl und Passung gute Fragen generieren. Diese sind auch in Coachings hilfreich. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem TOP/EOS Verfahren der Impart GmbH und dem ViQ von der MassineScheffer & Company GmbH. Details dazu finden Sie hier. 

Bedeutung:

  1. Das hat Bedeutung für Einstellungsprozesse für Vertriebsmitarbeiter und auch für den Einstellungsprozess der Vertriebsleitung. An gute Vertriebsleiter werden besondere Anforderungen gestellt. Gute Persönlichkeitstests ergeben Sinn als Ergänzung zu Einstellungsprozessen.
  2. Das hat große Bedeutung für Führung, Strukturen und Prozesse in der Organisation, um diese latent erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter gewünscht in Szene zu setzen. Eine wertschätzende Kommunikationskultur mit konstruktiven Feedback-Prozessen ergibt viel Sinn, um eine lebendige und erfolgreiche Vertriebskultur zu fördern. Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter sind eher Individualisten. Sie brauchen individuelle Betreuung und eine passende Balance von „Fordern“ und „Fördern“ in Bezug zu den Zielen.

Studienergebnisse:
1.) Eine groß angelegte Studie von Prof. Nachtwei und Thoms Sleutel (nachzulesen u.a. im Harvard Business Manager 9/2014 – Wie ticken Vertriebler?) weist eindrucksvoll nach: „Vertriebsprofis sind anders, und einige ihrer Persönlichkeitsmerkmale hängen direkt mit dem wirtschaftlichen
Erfolg eines Unternehmens zusammen.“ An der Studie nahmen knapp 2000 Vertriebler teil, die aus mehr als 700 Unternehmen aus der Region D/A/CH kamen. Die Mehrzahl war als Vertriebsmanager tätig, im Durchschnitt 42 Jahre alt und mit ca. 13 Jahren Berufserfahrung.

Kurz zusammengefasst liefert im B2B ein Vertriebsprofi mit folgenden Eigenschaften: belastbar, extravertiert, individualistisch (wenig teamorientiert) versus stressanfällig und introvertiert fast 12% mehr Umsatz. Das bedeutet nicht, dass ein eher introvertierter Vertriebsmitarbeiter nicht wirklich gut im Vertrieb sein kann. Es hängt im Einzelfall sicher auch vom Kontext ab und im Zweifel wird es mehr Energie benötigen, um Erfolg zu haben.

2.) Miguel Kazén, Julius Kuhl, Sylvie Boermans und Sander L. Koole veröffentlichten im PsyCh Journal 2012 ihre Erkenntnisse aus umfangreichen Studien von Vertriebsmitarbeitern und Vertriebserfolg. (Zu Finden in: http://www.impart.de/downloadNeu.html Titel: „Charming Personality and Sales Success“ http://www.impart.de/download.php?name=pdf/KazenPaper.pdf ) Die Basis der Studien ist die PSI Theorie nach Julius Kuhl. Sie wurde entwickelt, um experimentelle Befunde aus der Motivations- und Neuropsychologie zu erklären.

Die Erkenntnisse aus den drei Studien (Studie-1 444 Teilnehmer; Studie-2 139 Teilnehmer; Studie-3 39 Teilnehmer – Labor): Vertriebsmitarbeiter sind dann sehr erfolgreich im B2B mit persönlichen Kontakten, wenn sie eine positive Ausstrahlung (positiver Affekt) und eine überzeugende, gewinnende Art (Charming Personality Style) sowie ein Machtmotiv haben. Diese Ergebnisse ähneln sehr den Arbeiten von H. Nachtwei und H. Sleutel und bestätigen diese.


Fazit:

In der Sprache der PSI Theorie und der Theorie von Daniel Kahneman (Schnelles Denken, langsames Denken) sind Vertriebsmitarbeiter dann sehr erfolgreich, wenn sie stark im System 1 (schnelles Denken, bzw. in PSI Sprache: Selbst & Verhaltenssteuerung) sind, d.h. handlungsbereit, flexibel, risikobereit, positiv und mit gewinnendem Charme in komplexen Situationen agieren können. Dazu sollten sie emotional belastbar sein. 

 Die PSI Theorie liefert eine sehr gute Basis für die Auswahl und Entwicklung von Vertriebsmitarbeitern und Vertriebsleitung.

Die PSI-Theorie für die Auswahl und Entwicklung von Vertriebsmitarbeitern & -leitung.

Das System 1 arbeitet intuitiv und „unbewusst“ und ist in komplexen Situationen im Vorteil. Es gibt auch Probleme, die durch System 1 entstehen können. Diese hat Daniel Kahneman ausführlich in seinem Buch besprochen; eine Zusammenfassung finden Sie hier. Daher brauchen wir alle – in dem Fall Vertriebsmitarbeiter – Feedback zum Handeln in Kundensituationen.

Ohne „Selbst“ ist nicht viel los im Vertrieb und Führung, meine ich. Wie häufig ist Ihr „Selbst“ in dem Sinne aktiv? 

Ein Zitat, welches die Bedeutung des Extensionsgedächtnis, bzw. „Selbst“ deutlicher macht: „Das Extensionsgedächtnis basiert auf einem ausgedehnten Netzwerk von Handlungsoptionen, eigenen Gefühlen und selbst erlebten Episoden. Seine parallele und ganzheitliche Verarbeitungsform arbeitet auf der höchsten erreichbaren, also der „intelligentesten“ Integrationsebene und ermöglicht deshalb die gleichzeitige Berücksichtigung und Integration vieler Einzelaspekte, die für komplexe Entscheidungen und für das gegenseitige Verstehen von Menschen relevant sein können. Wahrscheinlich hat sich dieses System in der menschlichen Entwicklung speziell für den Umgang mit Menschen (einschließlich sich selbst) entwickelt. Das verwundert auch nicht, denn für den Umgang mit dem vielleicht komplexesten System, das es im Universum gibt (d. h. für den Menschen), braucht man wohl auch die höchste Stufe der menschlichen Intelligenz. Wenn ich auf einen Menschen eingehe, also in diesem Sinne ganz „persönlich“ werde, dann brauche ich das Extensionsgedächtnis. Sonst besteht die Gefahr, dass ich einen Menschen gar nicht in seiner ganzen Komplexität und Geschichte mit allen positiven und negativen Seiten sehe, sondern als „Objekt“ und ihn auf irgendeinen gerade nützlich oder sonst wie wichtig erscheinenden Aspekt reduziere.“ (aus: http://www.psi-theorie.com/downloads/ PSI-Theorie-Light von Julius Kuhl)

System 2 (langsames Denken, bzw. in PSI Sprache: Absichtsgedächtnis und Detailfokus) dient der Planung, Steuerung und Kontrolle der Vertriebsziele. Das System 2 steht für bewusstes Denken. Die Vertriebsleitung sollte in diesem Bereich stark sein und genug System 1 Qualitäten mitbringen, um gut mit den Vertriebsmitarbeitern kommunizieren zu können.

Bedeutung für die Vertriebsleitung

Bei Vertriebsleitern ist eine gute Balance gefragt, beide Systeme situativ angemessen zu aktivieren.  Für sowohl Vertriebsleitung als auch Vertriebsmitarbeiter ergibt es viel Sinn, sich über die unterschiedlichen und ergänzenden Qualitäten der verschiedenen Hirn-Systeme bewusst zu sein und zu lernen, wie diese Systeme situativ aktiviert werden können. (Julius Kuhl spricht von emotionaler Dialektik, d.h. + und – stehen jeweils für positiven und negativen Affekt, bzw. (+) und (-) für jeweils gedämpften positiven und negativen Affekt.) Vertriebsleiter und Vertriebsmitarbeiter sollten aus meiner Sicht offen klären, wie eine optimale Zusammenarbeit und Kooperation aussehen sollte, damit die Potenziale des Teams gut genutzt werden. Menschen sollten idealerweise stärkenorientiert eingesetzt sein.

  • Was kann die Organisation leisten?
  • Welche Prozesse und Strukturen unterstützen unsere individuellen Stärken ideal?
  • Wie sollen wir miteinander kommunizieren?

So sollte aus meiner Sicht darauf geachtet werden, dass Vertriebsmitarbeiter nicht zu sehr mit Strukturen und Details befasst sind. Das ist nicht ihre Stärke. Das soll eine Stärke der Vertriebsleitung und Organisation sein.

Die Aktivitäten der Vertriebsmitarbeiter sollten konstruktiv geprüft werden, damit der Fokus richtig liegt und aus „Fehlern“ – die immer passieren, aktiv gelernt wird. „Fehler“ oder „Probleme“ sind nur dann gut für die Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung, wenn diese in einer persönlichen und wertschätzenden Umgebung reflektiert werden. Dann können diese Erfahrungen ins „Selbst“ integriert werden. Sonst wiederholen sich diese Probleme. Daher braucht die Vertriebsleitung ebenfalls einen starken Selbstzugang sowie echtes Interesse an den Erfahrungen und Ideen von den Vertriebsmitarbeitern. Wenn und das ist ein wichtiger Punkt, zu viel Druck erzeugt wird, dann stehen die Qualitäten des „Selbst“ und der „intuitiven Verhaltenssteuerung“ nicht zur Verfügung.

Der Vertriebsmitarbeiter kann dann seine Qualitäten nicht ins Spiel bringen. Das kann passieren, wenn über das Management zu viel Druck ausgeübt wird.

In einem größeren Projekt haben wir einige Account Manager erlebt, wo genau das passiert ist. Der PSI Test zeigte einen sehr hohen Wert bei „negativer Zielorientierung“ auf. D.h. der Mitarbeiter fokussierte bewusst/unbewusst die Frage: „Ja nichts falsch machen“. Zusätzlich war der „Druck- und Stress-Level“ viel höher als die Fähigkeiten „Selbstmanagement“ zu machen, d.h. der Mitarbeiter hatte positive Ziele, konnte diese aber nicht handlungsleitend aktivieren. Im „Live Coaching“ war erkennbar, dass die Gespräche sehr anstrengend waren, d.h. über System 2 erfolgten und der Vertriebsmitarbeiter keine gute Beziehung zu den Kunden aufbauen konnte.

Der PSI Test liefert auch Ideen zu: Wie ist die Erstreaktion? Wie ist die Zweitreaktion (diese Fragestellung wird in den meisten Tests nicht beantwortet, ist jedoch wichtig: Wie geht jemand mit Schwierigkeiten um? Wie gut kann sich jemand auf schwierige Aufgaben einstellen?) Wie steht es um die Selbstmanagement Fähigkeiten? Welche Motive sind bewusst / unbewusst aktiv? Welche „Systeme“ werden genutzt, um diese Motive umzusetzen?

Auswahl von Vertriebsmitarbeitern und Vertriebsleitung
Ein passender Persönlichkeitstest (z.B. http://www.impart.de/TOP360Neu.html) sollte eine wichtige Ergänzung zu Bewerbungsprozessen für sowohl Vertriebsmitarbeiter und auch für die Vertriebsleitung sein. In Deutschland wird das merkwürdigerweise noch sehr wenig genutzt. Die Ergebnisse solcher Tests sind sicher nie die „Wahrheit“ sondern liefern Fragestellungen und Hypothesen. Introvertierte oder teamorientierte Vertriebsmitarbeiter können sicher auch sehr erfolgreich im Vertrieb sein. Das kommt selbstverständlich auch auf den Kontext an. Die Forschung behauptet, dass diese dann mehr Energie aufwenden müsste, um Top Ergebnisse zu erzielen.

Blaupause von erfolgreichen Vertriebsmitarbeitern? 
Eine weitere Idee für Unternehmen kann sein, Persönlichkeitstests von erfolgreichen Vertriebsmitarbeitern und Vertriebsleitern zu machen und diese als „Blaupause“ für zukünftige Einstellungsprozesse zu nutzen.

Parallel ergibt es viel Sinn alle Mitarbeiter im Vertrieb eher individuell, z.B. mit „Coaching on the Job“ zu fördern statt mit „Gießkannen Trainings“ zu langweilen.

Ein Beispiel Setting für individuelle Förderung mit operativem Fokus:

„Coaching on the Job“ machte ich vor einiger Zeit im folgenden Setting: Coaching der Vertriebsleitung, nachdem Vertriebsmitarbeiter ein Kundengespräch im Beisein der Vertriebsleitung und mir als Coach gemacht hatte. Der Vertriebsmitarbeiter bekam Feedback von der Vertriebsleitung und von mir als Coach. Die Vertriebsleitung bekam Feedback von mir als Coach. Das haben wir für das gesamte Vertriebsteam so gemacht und danach einen 2 Tages Workshop über die konkreten Lernerfahrungen plus Supervision der Führungskräfte über ein Jahr. Die Geschäftsführung war über Feedback-Prozesse auch aktiv involviert. Die Maßnahme war sehr nachhaltig und hatte einen klaren operativen Fokus.

Für die zukünftige Entwicklung des Vertriebs muss jede Organisation für ihren Markt prüfen, welche Art von Vertriebsmitarbeiter noch gebraucht werden. Reine Produkt- bzw. Lösungsverkäufer werden zu teuer sein und mit großer Wahrscheinlichkeit durch „Apps“, „Online Shops“ bzw. Kunden-Portale ersetzt werden.

Gebraucht werden vermutlich Vertriebsmitarbeiter, die mit komplexen Kunden- und Marktsituationen gut umgehen können; die Kunden bei Strategiefragen beraten können und daher viel Know-How vom Markt des Kunden, der Organisation des Kunden und Entwicklungen haben. Das verlangt viel Know-How und ist eine ganz andere Anforderung als Lösungs- und Produktexperte zu sein (auch das ist nicht leicht erfolgreich zu können; doch die Kunden sind über „Standards“ meist sehr gut informiert). 

3 Kommentare leave one →
  1. Juli 13, 2016 10:13 am

    Super interessant. Ich werde in den nächsten Gesprächen mit Vertreibern drauf achten, ob ich die Motive und Ausprägungen erkennen kann. Wir arbeiten mit Reiss Profile zusammen, von daher kennen ich die Ansätze schon. Danke!

  2. Oktober 31, 2017 5:56 pm

    Vielen Dank für die spannenden Ansätze. Das Thema individuelle Förderung muss eine große Rolle spielen. Interessantes zu diesem Thema habe ich auch auf dem Portal https://koberaktiviert.de/ entdeckt.

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